Regie: Georg Peetz
ZU DEN STÜCKEN:
Kein runter! Kein fern!, von Ulrich Plenzdorf
In
einer Sprache aus Berliner Slang und Pop-Jargon lässt der Autor den
Jungen, dessen Mutter in den Westen gegangen ist, so dass er nunmehr
allein der Erziehung seines gesellschaftlich gut funktionierenden
Vaters ausgesetzt ist, darüber nachdenken, wie er sich seinen Wunsch,
"Mick und die Schdons" zu sehen, erfüllen kann. Die Stones sollen, so
lautet ein Gerücht, in der Nähe der Mauer spielen. Die naiven,
gestammelten Hoffnungen des Jungen werden der autoritären Sprache des
Vaters und dem Jargon des Radioreporters entgegengesetzt, der
enthusiastisch von den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der DDR
berichtet. Ein Familiendrama mit politischer Dimension, das in fast
prophetischer Art den Impuls zum Aufstand vorwegnahm, der 1989 zum Fall
der Mauer führte.
Ulrich Plenzdorf,
Schriftsteller und Drehbuchautor, wurde 1934 in Berlin geboren.
Plenzdorf studierte Philosophie in Leipzig und Filmregie in Berlin-
Babelsberg. Seinen ersten grossen Erfolg, sowohl in Ost- als auch in
Westdeutschland, erzielte er mit seinem Stück "Die neuen Leiden des
jungen W." 1972. Ein Jahr später findet die Premiere seines Films "Die
Legende von Paul und Paula" in der DDR, 1975 auch in der BRD statt. Für
"Kein runter! Kein fern!" erhält Plenzdorf 1978 den
Ingeborg-Bachmann-Preis, nachdem er 1973 schon mit dem
Heinrich-Mann-Preis ausgezeichnet wurde. In den 90er Jahren enstehen
mehrere Fernsehfilme nach seinen Drehbüchern, die sich zumeist kritisch
mit der Situation im wiedervereinigten Deutschland auseinandersetzen.
Nichts Schöneres, von Oliver Bukowski
Nach
einer heftigen Liebesnacht allein in ihren vier Wänden macht sich
Mechthild Huschke, eine nicht mehr ganz junge Frau vom Lande, erschöpft
und blöde vor Glück Gedanken um ihren Liebhaber. Denn als der zu guter
Letzt auch noch ein Gedicht hervorbrachte, da war ihr klar "Jetzt liebt
dir doch mal eener." Ab sofort lebt Mechthild in freudig banger
Erwartung. Ob beim Komplettwechsel der Wohnungseinrichtung oder mit dem
Ladyshave hantierend, immer rumort es in Mechthilds Kopf. Mechthild
Huschke ist zwar ein einfaches Gemüt, und ihr Dialekt hat einen Hang
ins Vulgäre, aber niemals verliert sie die Achtung vor sich selbst.
Manchmal verirren sich Mechthilds Gedanken in die Vergangenheit, da
fällt ihr meistens Dieter ein. Der besaß zwar ein Motorrad und
super-schlanke Lenden, doch inzwischen haben den längst die Würmer
verdaut, so zermanscht wie der aus dem Häcksler kam. Mechthild gibt
offen zu, eine Mörderin zu sein. Dafür musste sie auch sechs Jahre in
Knast und Klapsmühle absitzen. Aber schuld war der Dieter selbst.
Besoffen und brutal hatte der die vermeintlich Schwangere mit Schlägen
in den Bauch in die Mörderei getrieben. Immer wenn Mechthild traurig
ist, stopft sie Schokolade in sich hinein. Wo der Dichtersche nur
bleibt?! In ihrer Phantasie hat sie ihn dann doch noch wiedergetroffen,
unverhofft in einem Café. Zwischen Sachertorte und
cocktailglückstrunkener Tanzekstase gab sie ihm das Jawort. Als
lächerliche Braut verkleidet steht Mechthild schließlich auf dem
Fenstersims, da ruft die Türklingel sie ins Leben zurück.
Oliver Bukowski, 1961
in Cottbus (DDR) geboren, studierte Philosophie und
Sozialwissenschaften, und schreibt seit Anfang der 90er Jahre mit
grossem Erfolg für das Theater. Für "London- LÄ- Lübbenau" erhält er 1994 den Gerhart-Hauptmann-Preis, 1996 den Deutschen Jugendtheaterpreis für "Ob so oder so" und 1999 den Mühlheimer Dramatikerpreis für "Gäste". "Nichts Schöneres" entsteht 1997 und wird ein Jahr später am Staatstheater Schwerin uraufgeführt.
Das DSTT-Program "Die erste Reihe"
Die
Förderung des künstlerischen Nachwuchses gehört zu den erstrangigen
Prioritäten der Repertoirepolitik des Deutschen Staatstheaters Temeswar
(DSTT). Das eigens zu diesem Zweck initiierte Rahmenprogramm "Die erste Reihe"
zur Förderung junger Theaterschaffender soll demzufolge im Laufe der
Saison 2006/2007 einerseits dem Publikum zeitgemäße Formen
künstlerischen Ausdrucks präsentieren und andererseits Einzelleistungen
junger Mitglieder des DSTT-Ensembles in den Vordergrund rücken lassen.
Das erste Projekt in dieser Folge ist die Doppelpremiere Kein runter! Kein fern!,von Ulrich Plenzdorf, und Nichts Schöneres, von Oliver Bukowski. Beide Texte werden am DSTT zum ersten Mal in Rumänien einem Theaterpublikum vorgestellt.