von Friedrich Schiller
Regie: Bernd Guhr
Zur Entstehung des Stückes: Mit der Braut von Messina, im fünffüßigen reimlosen Jambus, dem klassischen Tragödienvers, 1802/1803 geschrieben, knüpfte Schiller an die griechische Tragödie an. Nach den auf historischen Stoffen basierenden Dramen suchte er nach einem Sujet, das für ein analytisches Drama nach Art des König Ödypus geeignet war. Durch "Botenbericht" und durch den Chor erfährt der Zuschauer das zurückliegende Geschehen. Anders als in der griechischen Tragödie hat jedoch der Chor hier eine doppelte Funktion. Er ist orakelhaft warnender, ermuntender, abwägender Kommentator und, zweigeteilt in das Gefolge der Brüder, am Geschehen beteiligt. In seiner der Buchausgabe des Dramas vorangestellten Abhandlung Über den Gebrauch des Chors in der griechischen Tragödie schreibt Schiller, der Chor - eine "Riesengestalt in seinem Bilde" - sei der entscheidende Schritt gegen den "Naturalismus" auf der Bühne. Die Uraufführung des Stückes fand am 19. März 1803 im Hoftheater zu Weimar statt.
Das Gefolge Don Manuels:
Christine Cizmaş
Vlad Alexej Cobeţ
Andrei Hansel
Andrea Nistor
Diana Türck
Das Gefolge Don Cesars:
Sebastian Borlovan
Alexandra Gontean
Rareş Hontzu
Andrei Nistor
Ramona Olasz
Alina Stan
"Zum biblischen Brüdermotiv (das in den Räubern vorherrscht), kommt hier ein weiteres, antikes Oedipus-Motiv hinzu. (Es stellt sich zu spät heraus, dass die Braut, der Ausgangspunkt des neu entfachten Zwistes, die Schwester der beiden Brüder ist). Daher prägen die wiederholte Heraufbeschwörung des Schicksales und die Betonung des Tragischen die Verse, die – als Aufruf oder Mahnung – über eine vom Dichter Schiller wiederbelebte Musikalität antiken Musters an den Zuschauer gelangen. Wir befinden uns in einer poetischen Tragik, die absichtlich zur aussdrucksstarken Lyrik stilisiert wird. In ihrer Schlichtheit wird die Inszenierung direkt auf den Brettern gespielt. Einige von Geta Medinski entworfene Bühnenelemente prägen die Kulisse: einige umgeworfene Säulen; der mit dem Familienwappen versehene Thron des Fürsten bleibt der Strenge des Diskurses verschrieben [...]. Durch Ausgeglichenheit ist das Spiel Ida Jarcsek-Gazas gekennzeichnet, während sie die Rolle der Mutter und jene der Fürstin von Messina zwischen Schmerz und Hoffnung, Freude und Verzweiflung, zu spielen hat. Es beeindrucken ihre Haltung und das Beherrschen des sparsamen Ausdruckes dieser leidgeprüften Heldin. Explosiver sind die Auftritte ihrer Kinder, der kämpferischen, zerstrittenen, versöhnten, aber durch blindes Liebesschicksal in Zwist geratenen Helden. Der gute Sohn, Don Manuel, mit Lebendigkeit und Selbstbeherrschung begabt, wird von Alexandru Mihăescu gegeben. Der jüngere Sohn, Don Cesar – neidisch und eifersüchtig – begeht Bruder- und Selbstmord unter der schwersten Last – "der Übel größtes - die Schuld". Gespielt wird Don Cesar von einem Schauspieler des Nationaltheaters, Colin Buzoianu (drei der Hauptrollen wurden doppelbesetzt), gegen Ende gelungen in seiner Gestalt verinnerlicht. Daniela Török, die junge Schauspielerin des Theaters, konstruiert bestens das Profil der zerrütteten Tochter und Schwester. Die Chöre mit den zwölf Sprechern (jeweils sechs in jedem Gefolge) zeichnen das lyrisch-dramatische Echo in einer Inszenierung, die infolge der Option des Spielleiters außerhalb des Spektakulären und zugunsten eines ausgeglichenen Diskurses der Schillerschen Dramatik angesetzt wurde."
"Verwegenheit und Lüge aller Art, von Sich-Selbst-Belügen bis hin zu Betrug, gehören zu den Charakteristika der Messinaer Herrscherdynastie, deren Ende verkündet und verflucht, abgewendet und wieder herbeigeführt wird. Drei Geschwister verstricken sich in eine verlogene Geschichte von Liebe und Hass, schuldlos ist keiner. [...] Die Fürstin von Messina und Mutter der sich befehdenden Dons wird mit Erhabenheit und Nuancenreichtum, locker-leicht von Ida Jarcsek-Gaza interpertiert. Die Reife in der Interpretation ist durchaus ersichtlich. Ida Gaza ist zuerst Fürstin, dann Mutter. Eher die Tragik der Mutter betonte Isolde Cobet, die in der zweiten Premiere auftrat. Weitere Gestalten, die jeweils zwei Interpretationen fanden, sind Don Manuel (Alexandru Mihăescu bzw. Daniel Ghidel) und Don Cesar (Colin Buzoianu bzw. Radu Miodrag Vulpe). Bei Colin Buzoianus Auftritt ist für das dem DSTT treue Publikum ein deutliches Reifen des Schauspielers ersichtlich, der hier in seiner besten bisherigen Rolle aufgetreten ist. Er gewinnt Don Cesar nicht nur die Verwegenheit ab, welche Radu Miodrag Vulpe in derselben Rolle betont, sondern auch die gesamte Tragik der Gestalt: Zweitgeborener und verschmähter Liebhaber, Brudermörder und Selbstmörder. Romantisch gestaltet Alexandru Mihăescu die Rolle des Don Manuel; bei Daniel Ghidel ist es eher das Verwegene und Kriegerische, das hervorgehoben wird. Eine eigenartige und etwas befremdende Vision brachten der Regisseur, Bernd Guhr, und die Schauspielerin, Daniela Török, in der Person der geraubten Braut und Schwester, Beatrice. Sie ist nicht die Jungfrau/die Ahnungslose, die aus Liebe dem fremden Manne folgt, der sie aus dem Kloster entführt - sondern abwechselnd ein trotziges Kind und eine ihres Charmes durchaus bewusste Frau, beides allerdings gut von Daniela Török interpretiert. Gut gelingt der Einsatz der beiden Chöre (Schauspieler des DSTT und Theaterstudenten), aus dem Gefolge der verzwisteten Brüder gebildet, und einige der bedeutendsten Repliken aus dem Stück gehören ihnen. Die Chöre sind das Sprechrohr der Messinaer Bevölkerung und des Theaterpublikums, sind Spieler und Gegenspieler, sind Gewissen und Verführer. Das als "unspielbar" geltende Schauspiel, wie der Leipziger Gastregisseur Bernd Guhr die Tragödie nannte, eroberte das Publikum. Ein karges Bühnenbild, in dem Geta Medinski die richtigen Akzente setzt, soll das Auge auf die Handlung lenken [...] Auch der Einsatz des Betreuers für Sprecherziehung Simon Schlingplässer erwies sich als gut. Nicht nur für Liebhaber der Klassikers lohnt sich der Theatergang, auch solche, die eine Deutung des Ideenreichtums in Schillers Tragödie entdecken wollen, die vielleicht bei der einfachen Lektüre nicht völlig entfaltet wird, sollten sich die neueste Premiere am DSTT anschauen."